In Zeiten zunehmender Sensibilität für Gleichstellung und Diversität stellt sich vielen Unternehmen die Frage: Wie können wir Bewerbungsprozesse gestalten, die weder ethnische Herkunft, noch Geschlecht oder Alter berücksichtigen – und dennoch die besten Kandidat:innen auswählen?

Die gute Nachricht: Es gibt erprobte Verfahren, um genau das zu erreichen – und sie sind einfacher umzusetzen, als viele denken.


1. Anonymisierte Bewerbung als erste Hürde gegen Vorurteile

Der erste Eindruck zählt – aber er ist oft trügerisch. Ein Name kann Herkunft vermuten lassen, ein Foto unbewusstes Schubladendenken auslösen, das Geburtsdatum vermeintlich Rückschlüsse auf Leistungsfähigkeit erlauben.

Die Lösung: In der ersten Sichtungsrunde werden Bewerbungen anonymisiert. Konkret heißt das:

  • Kein Name, kein Foto

  • Kein Geburtsdatum oder Alter

  • Keine Angaben zu Geschlecht, Nationalität oder Familienstand

  • Optional: Schulen oder Universitäten durch neutrale Bezeichnungen ersetzen

Was bleibt, ist das Wesentliche: Erfahrung, Fähigkeiten und Motivation.


2. Gleiche Maßstäbe für alle – mit einem festen Kriterienkatalog

Subjektive Bauchgefühle sind die größte Gefahr für faire Entscheidungen. Deshalb braucht es klar definierte Bewertungskriterien, z. B.:

  • Fachkenntnisse

  • Projekterfahrung

  • Relevante Weiterbildungen

  • Arbeitsproben oder Referenzprojekte

  • ggf. Sprachkenntnisse oder Softwaretools

Diese Kriterien werden vor dem Start des Auswahlverfahrens festgelegt und gewichtet – so bleibt der Prozess objektiv.


3. Kompetenz schlägt Lebenslauf: Tests und Arbeitsproben

Ein Lebenslauf sagt nicht immer etwas über tatsächliche Fähigkeiten aus. Deshalb sollten realitätsnahe Aufgabenstellungen zum Auswahlprozess gehören:

  • Fallstudien oder Szenarien aus dem Arbeitsalltag

  • Kleine Programmier- oder Schreibaufgaben

  • Logiktests oder Problemlösungen

So zeigt sich schnell, wer die gefragten Kompetenzen wirklich mitbringt – unabhängig vom bisherigen Karriereweg.


4. Erstgespräch ohne Kamera – Fokus auf Inhalt, nicht Äußerlichkeiten

Im ersten Interview verzichten einige Unternehmen bewusst auf Video oder Kamera. Warum?

Weil Äußerlichkeiten wie Hautfarbe, Kleidung oder Alter oft ungewollt Einfluss nehmen. Ein Gespräch per Telefon oder Chat mit strukturierten Fragen bringt deutlich mehr Fairness.


5. Strukturierte Interviews mit Punktesystem

Spätestens im persönlichen Gespräch droht wieder der Einfluss subjektiver Eindrücke. Um dem entgegenzuwirken, helfen strukturierte Interviews:

  • Alle Bewerber:innen erhalten dieselben Fragen

  • Die Antworten werden nach einem vorher abgestimmten Punkteschema bewertet

  • Ideal: Mehrere Personen beurteilen unabhängig voneinander

So entstehen vergleichbare Einschätzungen – nicht vergleichbare Sympathien.


6. Entscheidung im Team – Diversität schützt vor blinden Flecken

Die endgültige Auswahl sollte nicht allein getroffen werden. Ein divers zusammengesetztes Auswahlgremium – idealerweise geschlechtergemischt und aus unterschiedlichen Abteilungen – reduziert das Risiko von Einseitigkeiten und Vorannahmen.


7. Transparente Rückmeldung

Auch wenn eine Bewerbung nicht erfolgreich ist: Wer nachvollziehbar erfährt, warum, empfindet das Verfahren meist als fair. Und wer weiß: Vielleicht klappt es beim nächsten Mal.


Fazit: Nicht perfekt – aber deutlich besser

Ein diskriminierungsfreier Bewerbungsprozess ist kein Hexenwerk. Er erfordert Struktur, klare Kriterien und den Willen, unbewusste Vorurteile systematisch auszuschalten.

Vollständig neutral bleibt kein Prozess. Aber durch Anonymisierung, Kompetenztests und strukturierte Gespräche kann die Auswahl fairer, transparenter und letztlich auch treffsicherer werden.

Und das ist nicht nur gerecht – sondern auch gut für jedes Unternehmen, das wirklich die besten Talente sucht.


Du willst diesen Ansatz bei dir im Unternehmen einführen oder weiterdenken? Ich freue mich über den Austausch in den Kommentaren oder per Nachricht.